Gertrud Luchterhandt – Ein Stolperstein in der Mainzer Straße

Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden Juden ausgegrenzt, verfolgt und ermordet. Millionen von Menschen wurden verhaftet und in Gettos, Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, wo viele von ihnen auf grausame Art und Weise umkamen. Familien wurden auseinandergerissen, Männer, Frauen und Jugendliche zu Zwangsarbeit verpflichtet. Viele von ihnen kehrten nie in ihre Heimat zurück.

Gertrud Luchterhandt

In Berlin wie auch in vielen anderen europäischen Städten lebten viele Juden. So auch Gertrud Luchterhandt, geborene Lagowitz. Sie wurde am 13. Juni 1864 in Frankfurt/Oder geboren und lebte im Hinterhaus der Mainzer Straße 18. Möglicherweise war es sogar in ihrer Wohnung, wo sie sich mit Hilfe des jüdischen Arztes Dr. Heimannsohn vergiftete. Sie starb am nächsten Tag, am 22. August 1942 im Jüdischen Krankenhaus Berlin in der Iranischen Straße. Gertrud Luchterhandt hatte erfahren, dass sie an diesem Tag in das Konzentrationslager Theresienstadt, im heutigen Tschechien, deportiert werden sollte. Um diesem grausamen Schicksal zu entkommen, wählte sie den Freitod im Alter von 78 Jahren.

Stolperstein für Gertrud Luchterhandt in der Mainzer Straße. Foto: Beke Detlefsen CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Stolperstein für Gertrud Luchterhandt in der Mainzer Straße. Foto: Beke Detlefsen CC BY-SA 3.0

Stolpersteine. Ein Kunstprojekt für Europa

Um Menschen zu gedenken, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurden, rief der Künstler Gunter Demnig „Stolpersteine. Ein Kunstprojekt für Europa” im Jahre 1992 ins Leben. Kleine Gedenktafeln, die im Boden verlegt werden, erinnern an Menschen, die von Nationalsozialisten vertrieben, deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden. Die würfelförmigen Betonsteine mit einer beschrifteten Messingplatte werden meist vor den Häusern verlegt, in denen die Opfer vor ihrer Verfolgung lebten. Mittlerweile erinnern 56.000 Steine (Stand: Dezember 2015) europaweit an politisch Verfolgte, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Opfer der „Euthanasie“ und Juden und sind somit das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

Die Intention Demnigs ist nicht nur, an die Opfer der NS-Zeit zu erinnern, sondern auch, ihnen ihren Namen zurückzugeben, da die Menschen in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert wurden. Auch die Geste – das Bücken –, die Spaziergängerinnen oder Bewohner machen müssen, um die Texte der Stolpersteine zu lesen, soll eine symbolische Verbeugung vor den Opfern sein. Doch nicht jeder unterstützt dieses Projekt: Einige kritisieren, dass die PassantInnen die Stolpersteine nicht wahrnehmen, auf diese mit Füßen treten und den Opfern somit keinen Respekt entgegenbringen.

Bis heute werden die Stolpersteine ausschließlich in Handarbeit hergestellt. Dies soll im Gegensatz zur fabrikartigen Tötung der Menschen in den Konzentrationslagern stehen. Private Spenden finanzieren die Kosten für einen Stolperstein, die sich auf 120 Euro belaufen.

Stolpersteine in der Mainzer Straße

Auch in der Mainzer Straße sind zwei Stolpersteine zu finden: für Richard Miersch und für Gertrud Luchterhandt. Am 9. Dezember 2006 wurde der Stolperstein für Gertrud Luchterhandt verlegt. Auf diesem ist Folgendes zu lesen:[1]

Hier wohnte Gertrud Luchterhandt geb. Lagowitz
Jahrgang 1864
Flucht in den Tod
22.8.1942

Charlotte Pinon, Februar 2016

[1] Als Quelle für die Inschrift des Stolpersteins dienten das Gedenkbuch des Bundesarchivs „Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Deutschland 1933-1945“, 2. Aufl., Berlin 2006, und biografische Angaben durch ein Enkelkind von Gertrud Luchterhand, das den Stolperstein spendete, aber als Pate anonym bleiben möchte. Ich danke Stefanie Deutschmann vom FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum „Stolpersteinprojekt für Friedrichshain-Kreuzberg“ für die Auskunft.

Literaturverzeichnis

Stolpersteine in Berlin: Gertrud Luchterhandt (geb. Lagowitz), http://www.stolpersteine-berlin.de/biografie/2244 (zuletzt abgerufen am 16.1.2016).

Wolfgang Benz, Der Holocaust, München 72008.

Andreas Nefzger, Der Spurenleger, in: FAZ.net, 7.2.2014 (zuletzt abgerufen am 16.1.2016).

NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (Hrsg.), Stolpersteine. Gunter Demnig und sein Projekt, Köln 2007.