Projekt
Über das Projekt:
Die Mainzer Straße in Berlin-Friedrichshain von 1894 bis heute
Wenn man sich die Geschichte einer Straße genauer anschaut, entsteht ein vielschichtiger Mikrokosmos, der von der „großen“ nationalen Geschichte ebenso viel erzählt wie von den individuellen Lebensgeschichten der Menschen, die dort gewohnt haben. Was war das für ein Viertel? Was für Leute lebten dort? Wer baute die Häuser, und wer zog ein? Gab es besondere Vorkommnisse? Wie sah der Alltag aus? Wie veränderten die politischen Verhältnisse – das Kaiserreich, die beiden deutschen Diktaturen und die Demokratie – das Leben in der Straße? Welche Ausgrenzungen fanden statt bzw. welche Freiräume entstanden?
All diese Fragen können von uns nicht grundlegend beantwortet werden, aber wir haben eine Annäherung unternommen. Wir, 23 Studierende des 8. Jahrgangs des Public History Master-Studiengangs an der Freien Universität Berlin sowie Christine Bartlitz vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, haben im Wintersemester 2015/16 ein Internetprojekt zur Geschichte der Mainzer Straße in Berlin-Friedrichshain von 1894, dem Baujahr der Straße, bis heute durchgeführt.
Die Mainzer Straße, zwischen Frankfurter Allee und Boxhagener Straße gelegen, hat eine vielseitige Geschichte, der wir uns auf dieser Website multiperspektivisch und in Ausschnitten nähern. Thematische Schwerpunkte sind das Kaiserreich und die Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus und der DDR, die Besetzung und Räumung der Mainzer Straße im „kurzen Sommer der Anarchie“ 1990 sowie nicht zuletzt ein Blick auf das Leben heute. Die Website wird von großen und kleinen Geschichten erzählen, die die Menschen in mehr als 100 Jahren erlebt, als Akteure selbst gestaltet, aber auch erlitten und erduldet haben.
Was kann man über eine Straße und ihre Menschen in den öffentlichen Archiven, durch die Medien und in Interviews mit Anwohnern erfahren? Wie lässt sich Alltag rekonstruieren? Was waren das für Menschen im „Arbeiterbezirk“ Friedrichshain? Wer wohnte dort in den 1970er- und 1980er-Jahren, als die Häuser immer mehr verfielen? Die Besetzung und Räumung im Vereinigungsjahr 1990 machten die Straße überregional bekannt. Polizei, Besetzer wie auch Anwohner waren von der Eskalation der Gewalt verstört. Ein Schwerpunkt dieser Website zur Mainzer Straße ist daher die Besetzung und Räumung im November 1990, die wir durch Interviews und Aktenmaterial aus unterschiedlichen Perspektiven darstellen.
Da solch ein Unterfangen auch für Schulen und andere Bildungsträger von Interesse sein könnte, wollen wir die Bandbreite dessen andeuten, was für Möglichkeiten solch eine Art der Geschichtsschreibung bietet. Das Leben der meisten Menschen spielt sich vielfach auf den zwei Quadratkilometern ihres direkten Umfeldes ab. Die Prägungen, die sie dabei aus ihrer lebensweltlichen Realität erhalten, lassen sich auch historisch erklären. Die Website „Mainzer Straße“ soll zeigen, aus was für unterschiedlichen Blickwinkeln und Perspektiven Geschichte betrachtet werden kann – und wie viel solch eine Straße erzählt.
Christine Bartlitz, März 2016
Ein integriertes Kontaktformular gibt den NutzerInnen der Seite eine Feedback-Möglichkeit; außerdem können auf diesem Weg weitere Geschichten von Menschen aus der Mainzer Straße in die Website eingebunden werden. Wenn Sie also Fotos, Briefe oder andere Dokumente und Berichte von und über AnwohnerInnen der Mainzer Straße haben, freuen wir uns über eine Nachricht (Christine Bartlitz, Beke Detlefsen, Hannah Christine Elstner).
Wir bedanken uns bei folgenden Archiven und ihren MitarbeiterInnen, die uns mit viel Engagement bei unserer Recherche unterstützt haben: Polizeihistorische Sammlung Berlin (Hartmut Moldenhauer und Dr. Jens Dobler); Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Ute Lipske); Landesarchiv Berlin (Dr. Martin Luchterhandt); FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum (Martin Düspohl sowie die MitarbeiterInnen im Archiv); Bundesarchiv Berlin (Grit Ulrich), Umbruch Archiv; Deutsches Historisches Museum Berlin (Dorlis Blume), Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Schwules Museum
Wir danken auch ganz besonders unseren Interviewpartnern: Renate Künast, Hartmut Moldenhauer, Walter Momper, Freke Over, Georg Schertz, Dr. Thomas Schulmeister, anonymer Hausbesetzer und anonymes Pärchen aus der Mainzer Straße.
Die TeilnehmerInnen des Workshops „Geschichtsvermittlung im Internet“ (A), PHM 8. Jahrgang, im Februar 2016 in einem Seminarraum der FU (im Bild leider nicht ganz vollzählig): Christine Bartlitz, Verena Bartsch, Helena Becker, Beke Detlefsen, Hannah Christine Elstner, Isabel Evels, Stefan Finkele, Franca Fischer, Noradin Florian Henz, Heinrich Iven Hoppe, Alexander Kolibaba, Tom Philipp Koltermann, Charlotte Pinon, Daniel Richter, Jakob Saß, Sarah Schmid, Christian Schmitt, Anne Sebastian, David Schwalbe, Sara Stammnitz, Helen Stoeßel, Dina Tsakalos, Nicolas Ulbrich, Sonja-Friederieke Wiegand
© C. Bartlitz