Die Räumung der Mainzer Straße am 14. November 1990 hatte weitreichende politische Folgen. Sie führte zunächst zwei Tage danach zur Auflösung der rot-grünen Koalition seitens der Alternativen Liste unter der Führung der damaligen Fraktionsvorsitzenden Renate Künast. Sie warf der SPD vor, bereits durch die Räumungen am Vortag „eine neue Welle der Gewalt“ provoziert zu haben. Auch sei die Alternative Liste weder von dem Einsatz „informiert noch konsultiert“ worden, und Innensenator Erich Pätzold (SPD) habe „Vermittlungsversuche“ von AL-Abgeordneten „unbeantwortet“ gelassen (Der Spiegel 47/1990).
Heute ist Renate Künast Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz im Bundestag. Im Interview vom 14. März 2016 sieht sie die Räumung der Mainzer Straße als bewusste Machtdemonstration der damaligen SPD-Spitze kurz vor der anstehenden Berlin-Wahl. Das Thema Hausbesetzungen ist heute angesichts der Ereignisse in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain aktueller denn je.
1. Wie haben Sie die kritischen Tage im November 1990 erlebt? – „Pätzold wollte räumen, wir wollten vermitteln und eine Eskalation verhindern!“
2. Wie hat sich Ihr SPD-Koalitionspartner verhalten? – „Wir haben die Koalition mit der SPD beendet, nachdem sie das Vertrauen gebrochen hat.“
3. Waren die BesetzerInnen tatsächlich so aggressiv und verhandlungsunwillig, wie behauptet wurde? – „Die meisten der Besetzer waren Kids.“
4. Welche Fehler wurden gemacht? – „Nach den Auseinandersetzungen am 13. November wäre die Deeskalation die Aufgabe der Polizei und des Innensenators gewesen!“
5. Wie sehen Sie die Rolle von Erich Pätzold? – „Der Innensenator hat bewusst keinen Kontakt zu uns gesucht.“
6. Sehen Sie Parallelen zwischen den Ereignissen in der Mainzer Straße und den aktuellen in der Rigaer Straße? – „Wenn sich die Hausbesetzer der Rigaer Straße nicht an die Regeln halten, muss die Polizei hart durchgreifen.“
7. Wie sehen Sie die Rolle der Polizei bei solchen Einsätzen? – „In der Mainzer Straße hat die Polizei durch politischen Druck genauso falsch gehandelt wie bei Stuttgart 21.“
Das Interview mit Renate Künast am 14.03.2016 führten Franca Fischer, Iven Hoppe, Andreas Rabe und Jakob Saß.